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Als ich am Wittenbergplatz aus der U Bahn trat, fühlte ich mich leicht und beschwingt. Die Septembersonne strahlte mir ins Gesicht und eine milde Brise zupfte sanft an meinem Haar. Bei Antritt meiner Reise versetzte mich der „Allein in der Großstadt" Gedanke noch in leichte Panik. Außer einer Kleinstadt kannte ich nur Dörfer und hoffte, in Berlin nicht die große Einsamkeit kennenzulernen. Und empfand bereits in den ersten Stunden eine Begeisterung, die nichts unmöglich und alles leicht erscheinen ließ. Ich war angekommen, Berlin hatte sich als meine Stadt offenbart! Bei einem Künstler Paar in der Martin Luther Straße mietete ich ein kleines, bescheidenes Zimmer und begann, meine Freiheit zu feiern und zuversichtlich in die Zukunft zu blicken. ............. Sechs Jahre später hatte ich das Gefühl, ein pralles, facettenreiches Leben hinter mir zu haben. So hätte es weitergehen können, doch nun träumte ich von einem zweiten, ähnlich erfülltem Lebern. Es war mir gelungen, mich nahtlos in Berlin einzufügen – warum sollte mir das nicht überall gelingen? In London beispielsweise - seit ich dort eine Freundin besucht hatte, hegte ich den Wunsch, öfter über die Kingsroad oder Carnaby Street zu schlendern. Nebenbei war es höchste Zeit, Englisch zu lernen! Der Zeitpunkt hätte nicht günstiger sein können, ich hatte mich gerade frisch entliebt und war in Aufbruchstimmung! *** Meinen Job aufzugeben, fiel mir weniger leicht! Hier hatte ich fünf Jahre mit großer Freude gearbeitet, aber nun hatte die Vorfreude auf ungewisse Abenteuer mich bereits im Griff. Jeder Neuanfang fordert seinen Tribut - und heißt es nicht, wenn's am schönsten ist, soll man scheiden? Obwohl mein Chef meine Kündigung bedauerte, erwies er sich als gönnerhaft. Er schenkte mir zum Abschied einen Monatslohn, nicht ohne grinsend: „Ach nach England, da können Sie ruhig hin, da sind eh alle schwul,“ zu bemerken. …... Mein Chef, den wir heimlich Paule nannten, hieß Paul Döhler! Ich mochte ihn vom ersten Tag an – das heißt, ich arbeitete schon ein paar Wochen in der „Neuen Wohnkultur“ bevor ich ihm vorgestellt wurde. „Frau“ fragte er „sind Sie wirklich schon eine echte Frau?“ „Nein, ich denke nicht“ antwortete ich. Als Frau galt damals nur die Verheiratete und als 19jährige mit Pferdeschwanz hatte ich wirklich wenig von dem, was man sich darunter vorstellte. So fühlte ich mich auch nicht - ich hatte mich als halbes Kind in eine Ehe drängen lassen, die ich gar nicht wollte. Der Heiratswütige war 4 Jahre älter, trotz rockigem Gehabe ein Mamasöhnchen und kaum reifer als ich. Das Eheversprechen hatte er mir 2 Jahre vorher abgeluchst und als der Termin nahte, war ich fürs Nein zu feige. Schließlich hatte ich mehr als einmal bei seiner Familie gegessen, was ich als größere Verpflichtung ansah, als Liebe oder Leidenschaft. Dass wenig Romantik im Spiel war, bewies die Leichtigkeit, mit der ich jungfräulich in die die Ehe ging und es am liebsten auch bleiben wollte. Im letzten Moment fasste ich mir ein Herz und bat meine Mutter, ihre Zustimmung zurückzuziehen. Ob sie es nicht ernst nahm oder froh war, die erste von 5 Töchtern unter der Haube zu wissen? Mit "Ach du bist nervös" tat sie es ab und beeilte sich mit der Unterschrift. Das alles war ein Riesenfehler und da der Ungeliebte sich nach 2 Wochen als Befehlshaber aufspielte, hatte er mein Mitleid verspielt und mich verloren. Seltsam, auf dem Hochzeitsfoto schaute ich wie ein hübsches, schlafendes Schaf in die Kamera und ein paar Monate später wachte ich auf und nahm mein Leben in die Hand. Als er an einem Freitag von der Arbeit kam, war ich jedenfalls weg, genau genommen am Freitag, den 13. ****** in einer Teenager Ehe vermuten. Zweifellos war er ein echter Mann und ein erfolgreicher Chef. Sein Alter – keine Ahnung, irgendwas jenseits der 50! Er fuhr einen schneeweißen, beeindruckenden Mercedes mit seinen Initialen und war best Friend of Herbert von Karajan. Jedes Mal, wenn er Karajans Yacht und das ganze Kaviar Gedöns hinter sich ließ, schmeckte ihm eine Berliner Curry Wurst besser als alles andere. Ich fand das süß, klang es doch wie „Kinder, ich bin einer von euch, ich kann nur das verdammte Name dropping nicht lassen" Bei anderen hätte ich das vielleicht belächelt, ihn ließ ich von seinem Podest nicht mehr runter. Bei mir konnte er nichts falsch machen, selbst dass er mit seinem berühmten Freund protzte, machte ihn mir nur noch menschlicher. Schließlich war er selbst nicht ohne – die Neue Wohnkultur war ein Riesenkomplex am Innsbrucker Platz und das angesehenste Einrichtungshaus Berlins. Alles was Rang, Namen, Geschmack und Geld hatte, ließ sich hier von Innenarchitekten beraten. Es war ein perfekt ausgeklügeltes, geniales Konzept, worauf er stolz sein konnte. Fraglos war er das, auch wenn ihm sein anderes Projekt, das Antiquitätenhaus Döhler in der Budapester Straße näher am Herzen lag, Es war exklusiv, es war exquisit und noch viel mehr. Es war eine kostbare Perle, für die ihm mit Recht der Preis des Guten Geschmacks verliehen wurde. Hätte ich ihm einen Preis verliehen, dann für sein Lächeln und seine Spinnen-beinigen langen Wimpern! Immer wenn er aufkreuzte - und die meisten Mitarbeiter unnatürlich geschäftig wurden - freute ich mich wie eine Schneekönigin. Ja, ich liebte meinen Chef, weil er mich so nett anstrahlte und weil ich kein Schiss vor ihm haben wollte. Eine Liebe, die herzlich, sonnig aber auch praktisch war. Unbewusst vielleicht sogar etwas berechnend- schwärme für deinen Chef und du gehst immer gern zur Arbeit! ***Was nicht heißt, dass ich ihn nicht als ästhetisch empfand. Ich fragte mich sogar, ob ich mir, trotz des Altersunterschieds, ein gemeinsames Abendessen vorstellen könnte. Das konnte ich bejahen, bezweifelte nur, dass es eine gute Idee wäre. Hätten wir spritzig, witzig und geistreich losgelegt, hätte es sehr amüsant werden können. Etwas zu schüchtern, etwas zu ernsthaft und schon hätte betretenes Schweigen die Atmosphäre vergiften- und meine schöne Schwärmerei verfrüht beenden können. Paule kam so etwas wie ein Rendezvois vermutlich nicht mal in den Sinn. Das Essen hätte er mir wohl gegönnt, hatte aber wahrscheinlich keine Lust, fälschlicherweise als dirty old man verdächtigt zu werden. Uns verband eine besondere Sympathie - wir freuten uns übers gegenseitige Anstrahlen, aber brannten nicht wie die Fackeln, Und so sehr Paule auch strahlen mochte, ein begehrlich lüsterner Funke hat nie gewagt, sich in seine Spinnenbeinbewimperten Augen zu schleichen. ***Eine Schwärmerei war für mich nichts neues, nur so ausdauernd wie für Paule hatte ich noch nie geschwärmt. Warum? Weil es seinen Augen nicht möglich war, unfreundliche Blicke in meine Richtung zu schicken? Es hätte dennoch langweilig werden können, aber er scharwenzelte ja nicht ständig um mich herum. Wenn er kam, war es abends für 1-2 Stunden in denen er auch anderweitig beschäftigt war. Wenn er mich dann 2-3 x fröhlich amüsiert anlächelte, war mein Heimweg ein beschwingter. Ja, so leicht war ich glücklich zu machen! Der, der zuhause höchstwahrscheinlich auf mich wartete, wusste nichts von meinem kleinen Extra Glück. Warum auch, ihm wurde nichts weggenommen, aber schon der Gedanke, Paule zu erwähnen, hätte alles verdorben! Alberne Schwärmerei könnte man sagen, aber ist so etwas nicht schöner als manche Affaire? Kein Herz-flattern, keine Eifersucht, keine Missverständnisse, nur ein freudiges Gefühl im Herzen, das einem den Tag etwas sonniger macht! Im Nachhinein wunderte ich mich, ob Paule meine Freundlichkeit als Schwärmerei entlarvt hatte, aber ich denke schon – kluge Männer wissen! Ahondissa |
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