Eine kleine Geschichte über einen besonderen Tag kurz nach dem Mauerfall

 

 


 

 

Es war im Mai, 1990, als Armin einen Ausflug nach Ostberlin vorschlug. Er hatte seinen

 

unternehmungslustigen Tag, der obendrein der erste Vatertag nach dem Mauerfall war. Grund genug

zu testen, ob die Trinkfestigkeit der Herren mit der der Väter Schritt halten kann. Der blaue Himmel

versprach einen sonnigen Tag, Armin versprach, sich zu benehmen und ich versprach mir ein Abenteuer.

Mir war der Ostteil noch fremd, doch mit Armin hatte ich einen kompetenten Stadtführer und einen Meister

im  Kontakte-knüpfen. Er war voll amüsanter Einfälle und ob geistreich oder albern spielte für mich keine

Geige. Hauptsache  es gab was zu kichern! Im Vollrausch konnte der Hochgelobte anstrengend oder ausfallend

werden, aber irgendwas ist ja immer! Mein Makel - ich lasse dann keinen mehr zu Wort kommen.

Wozu an diesem turbulenten Tag die Chancen eher schlecht standen. 

uu

Bereits in der U Bahn verscheuchte Armins heiterer Ton jegliche Berührungsängste. Plötzlich war man

unter Freunden und schoss innige Fotos mit wildfremden Leuten. Nach diesem fröhlichen Auftakt ging‘s

in ein Lokal, das Armin als berüchtigte Penner Kneipe angekündigt hatte. Für die Tageszeit war es gut

  besucht, machte aber keinen verwahrlosten oder bedrohlichen Eindruck. Das Publikum wirkte interessant,  

verwegen, lebhaft oder träge, eben sehr gemischt. Allerdings wurde viel geraucht und bevor mir ein

unflätiger Lümmel seinen Zigarettenstummel ins Essen drückte, blieb ich lieber gleich bei Sekt. Die

Laune stieg, auch ins zweite, blitzsaubere Glas wurde keine Kippe gefeuert und ich fing an, alles und

jeden zu mögen. Jetzt lachte ich schon über die Witze unseres aufgekratzten Tischnachbarn und

nicht lange bis auch hier ein paar Arm-in-Arm Fotos geschossen wurden. Den Begriff Pennerkneipe

wollte ich Armin später austreiben, das hatte diese gemütliche Stätte nicht verdient! Bis dann, wir 

hatten gerade gezahlt, am Nebentisch lautstark die Fäuste flogen und ich die Bemerkung, „Um diese

Zeit geht’s immer los“, aus der Unterhaltung einiger belustigter Neuankömmlinge aufschnappte.

 

Das reichte um wortlos aufzubrechen und in Richtung Nikolaiviertel zu bummeln. Auf halbem Wege

kam uns eine Frau mit drei drolligen Hundebabys entgegen, an denen wir nicht vorbeikommen konnten.

Sie sah es in unseren Augen und erleichterte das Anbändeln mit einem warmen Lächeln. Im Laufe des

Gesprächs erfuhren wir, dass es insgesamt fünf Welpen gab, von denen zwei zur Vermittlung bereit  standen.

 Der kurze Moment, in dem ich mir als neue Hunde-Mama gefiel, wurde schnell von der Erinnerung an meine

  beiden ungnädigen Katzen verjagt. Doch die Frau war sympathisch! Sie konnte sich von Herzen mit anderen  

über ihre Hunde freuen. Im krassen Gegensatz zu den  Hundehaltern, die jeden, der ihr Tier nur anschaut,

auf der Stelle wegbeißen wollen. Wenn mir so einer begegnet, halte ich mich vom Hund fert, lasse ihn aber

wissen, dass er sein Tier benutzt, um anderen Menschen eins reinzuwürgen. Nicht immer, aber oft genug

 treffe ich damit ins Schwarze. Nachdem wir die Süßlinge noch einmal auf den Arm nehmen durften,

zogen wir, angeregt vom netten Kontakt mit Mensch und Tier, heiter weiter.  

Die Atmosphäre im Nikolaiviertel nahm mich sofort gefangen. Es war perfekt! Die Kirche, der Platz,  

gutgelaunte Menschen, eine beschwingte Band und eine milde Sonne, die alles bestrahlte. Selbst die

Erdbeerbowle war besser als je eine andere! Es war einer dieser Momente, in denen man nichts außer

" Das Leben ist schön" denken, sagen oder singen muss. Bevor wir uns versahen, war der nächste Kontakt

hergestellt. Diesmal mit 2 etwas abgerissenen Typen, die Armin vermutlich angequatscht hatte. Florian,

der Sympathischere erwies sich als belesen, bescheiden, liebenswert und schien nur ganz wenig gestrauchelt

zu sein. Wolfgang, der weniger belesene, weniger bescheidene war auch weniger liebenswert. ein gescheiterter

Kreuzberger, der hier großspurig den Ton angab. Wir erfuhren, dass er es sich seit Wochen bei Florian  gut

gehen lässt. Hat sich dreist bei ihm eingenistet und zeigt ihm als Gegenleistung  wo es lang geht. Nutzt die 

Gutmütigkeit dieses Menschen aus und gebärdet sich, als gehöre ihm das halbe Nikolaiviertel. Es ärgerte 

mich mehr als es mich anging, doch da darf man nicht hadern, sondern hoffen, dass  Florian schnell lernt,

wo's wirklich langgeht.

 

Nach dem Nikolaiviertel sollte es nach Pankow gehen. Angeblich gab es dort ein Restaurant, in dem

Armin einmal fürstlich gespeist hat. Der Beweis wurde nie erbracht, um nicht anzukommen, muss man

nicht bis Petuschkin reisen. Noch auf dem Bahnhof, hoben vier ausgelassene Typen Armin in die Luft.

Nicht um ihn vor die Bahn zu werfen, aber warum  eigentlich? Ich wurde kurz sbgelenkt und als ich

wieder nach ihm schaute, hatte er kein Bein mehr auf der Erde. Das kann natürlich nur Armin passieren!

Ein lustiger Anblick, in den  angeheiterten Köpfen des  Quartetts vermutlich ein bahnbrechend witzige 

Idee. Bei dem ansteckenden Dauerlachen der vier wunderte ich mich längst, was die alle intus hatten.

Was auch immer - sie waren gut drauf!

Wir saßen in der Bahn nach Pankow, wo wir auf einen bärtigen Riesen, Namens Reinhold stießen. Ihm gelang

es, uns Pankow aus - und eine Hinterhof-Wohnung am Prenzlauer Berg einzureden. Die Wohnung wurde als

als Club betrieben, in dem ausschließlich Wodka mit Fanta ausgeschenkt wurde. Ein Getränk, mit dem man

mich jagen kann und auch sonst schien unser spontaner Sinneswandel eine Schnapsidee zu sein. Auf der

anderen Seite war ein interner Treffpunkt am Prenzlauer Berg nicht ohne Reiz. Unsere geweckte Neugier

wurde nicht enttäuscht. Entwaffnend- natürliche Mädchen empfingen uns freundlich und interessiert. Ihre

unkomplizierte Art gefiel mir auf Anhieb und als die kleine Sara auf einen meiner Ohrringe scharf war, gab

ich ihr beide. Die Freude war groß und so ansteckend, dass ich gern noch weitere Ohrringe  verteilt hätte.

 

      Frauenpower oder nicht, an dem Abend punktete das weibliche Geschlecht, während die männliche Garde     

sich wenig vom Hintergrund abhob. Bis auf Manne, der feist, penetrant und rechthaberisch Hof hielt. Ein

zweiter Wolfgang, der zeigt, wo's langgeht!  Ich staunte, wie schnell diese  Opportunisten vor Ort sind. Noch 

weniger begriff ich, warum  alles andächtig an den Lippen dieses Aufschneiders hing. Was ging's mich an,

irgendwann werden sie ihn durchschauen und von ihrem Hinterhof jagen. Auf dem jetzt was anderes abgehen

sollte. Punkerin Trixa wollte den Feuerschlucker geben, falls genügend Kleingeld fürs Frühstück dabei

raussprang. Ich gab ihr mein eingetauschtes Geld und sie war happy. Ich hatte reichlich getauscht und

wegen der ausgefallenen Pankow Reise war’s genug, sie paar Tage über Wasser zu halten. Dann zauberte

Trixa große, größere und noch größere Flammen. Es war beeindruckend und ich machte mehrere Fotos.

Andrerseits gefiel mir nicht, dass ein junges Mädchen sich Unmengen von Benzin in den Rachen schüttet.  

Ich hätte ihr das Geld auch so gegeben, doch vielleicht tat sie es gern und liebte den Auftritt vor Publikum.

Nach dem Flammenmeer verabschiedeten wir uns. Nicht weil es langweilig wurde, sondern weil Armin

von Manne losgerissen werden musste. Eine  anfängliche Stichelei eskalierte in einen handfesten Streit und

bevor die beiden Hammel sich die Köpfe einschlagen, musste eingeschritten werden. Trotz meiner Antipathie

hielt ich Manne nicht zwingend für den Initiator. Ich wusste, dass Armin ihm mindestens im Sticheln haushoch

überlegen war. Armin war fähig, innerhalb eines Abends dreimal den Charakter und das Äußere zu wechseln.

Monika, eine gemeinsame Freundin sagte einmal treffend: "Wenn er kommt, ist er elegant wie aus einem

Visconti Film und wenn er geht, denkt man nur noch an Faces von Fellini"

 

Auf der Straße fiel Armin ein Edel- Schuppen ein, der angeblich mit der Paris Bar verglichen wurde. Zufällig

war's ganz in der  Nähe und 10 Minuten später standen wir neben Ronny am Tresen. Er saß, langhaarig, mit

verträumtem Blick neben seinem Geigenkasten und zeigte sich aufgeschlossen. Wir robbten uns über Musik,

die Mauer, die Zukunft Berlins an persönlichere Themen ran. Alles sehr entspannt, bis Armin  eifersüchtig

wurde, weil Ronny zu sehr auf mich einging. Seine schwule Seite wünschte sich  mehr Beachtung von Ronny,

also störte ich. Als gute Freundin sollte ich ihm zuhören, statt diesem Zufallsbekannten, also störte jener.

Vertrackte Situation, aus der nur die Flucht half.

 

Wieder auf der Straße griff Armin zur Beruhigungszigarette, hatte aber sein Feuerzeug verloren. Nach

einigen Minuten begegneten wir zwei cool aussehenden Prenzelberger Typen, von denen besonders der

größere mit attraktivem Rasta Geflecht, ausdrucksvollen Augen und edlen Gesichtszügen ein echtes

Highlight war. Mit „Gebt mal Feuer, Ihr Penner“ sprach Armin die beiden an. Sie waren irritiert, schauten

sich kurz an und bevor der erste Schlag fiel, sagte ich: „Haut ihm eine rein, er schreit ja förmlich danach“

Das irritierte sie wiederum, hielt sie aber vom Schlagen ab. Sie  erkannten, dass es nicht ganz so persönlich

gemeint war, gaben ihm Feuer und unterhielten sich noch eine Weile  mit uns. Da hat der Blödmann noch

mal Glück gehabt! Diesen Ton sollte er nie anschlagen, doch als Anzug-tragender West Schnösel war das

brandgefährlich.

 

So vollgetankt mit Erlebnissen wollten wir endgültig die S Bahn zurück in den Westen nehmen, doch es

kam noch mal anders. Kurz vorm Ziel lag ein junger Mann, fast noch ein Teenager, zwischen den Büschen.

Er hatte sich wohl übergeben und kam nicht mehr hoch. War ja Herrentag! Armin hatte ihn entdeckt und

angesprochen, aber der Kleine war fertig. Wir halfen ihm auf die Beine, auf denen er gefährlich schwankte

und brachten ihn nachhause. Mit der Zeit wurde er sehr mitteilsam und ich wunderte mich, dass ein Suff,

der die Beine derart weghaut, die Zunge noch so munter sprudeln lässt. Die Hauptsorge des Jungen galt

westdeutschen Immobilienhaien, die die Gegend kaputtmachen und die Preise in die Höhe treiben würden.

Da ich darüber noch nicht nachgedacht hatte, fiel mir nichts Beschwichtigendes ein. War aber nicht tragisch

ich glaube wir reichten ihm als Zuhörer. Als wir ihn endlich vor seinem Elternhaus abstellten, fühlte er sich

fit genug, uns in die nächste Kneipe zu lotsen. Wir hielten ihm  seinen  Zustand vor Augen, erklärten, dass

wir später vielleicht keine Bahn  kriegen würden, doch nichts wurde akzeptiert. Er war beleidigt und sagte

enttäuscht: Ach, Ihr wollt mich ja nur loswerden“ Darüber konnten wir nur lachen und statt uns ein

schlechtes Gewissen einreden zu lassen, machten wir uns endgültig auf den Weg zurück  zum Savignyplatz.

   
ahondissa

Ahondissaaaaaaaaa


Home

 

 

 

 

 

 1