Oskar und das House on Fire

 

Oskar Huth wurde mir vom Galeristen Jes Petersen im Zwiebelfisch vorgestellt.

 

Er trug was er eigentlich immer trug, Trenchcoat, Schiebermütze, Krawatte und eine

 

ernste Miene zum verschmitzten Blick. Dazu passte sein Gentleman Gebaren und dieses

 

leichte Staunen im Auge. Er hatte seine eigene Art sich gewählt auszudrücken, bedächtig

 

aber nicht nervtötend bedächtig. Oskar fand es toll, Korn wie Wasser trinken zu können.  

 

Bier war möglich, doch Korn war sein Frühstück, sein Mittag- und sein Abendessen.

   
 

Das erfuhr ich alles gleich in der ersten Stunde und von Jes wusste ich, dass Oskar die

 

meisten dieser Mahlzeiten in der Petersen Galerie zu sich nahm.

 

Wir drei amüsierten uns bombig! Mit Jes zu kichern war das leichteste von der Welt und

 

und auch Oskar war in seinem Element. Es war derart perfekt, dass ich uns in London als

 

House on Fire bezeichnet hätte.

   
 

Auch die lustigste Kneipe muss einmal verlassen werden, doch kaum draußen, schlug Oskar

 

einen Absacker im Hegel vor. Für Jes und mich wenig, für Oskar aber sehr vertraut! Erkennbar   

 

daran, dass ihm schon das Bier entgegen getragen wurde. Von einem Fan, der sich brennend 

 

für sein bewegtes Widerstandsleben interessierte, sich aber erst einmal artig zurückzog. 

Es hatte sich rumgesprochen, dass Oskar im 2.Weltkrieg erst Essensmarken und danach 
reihenweise Ausweise gefälscht hatte, mit denen er viele Leben retten konnte. 
In der Widerstandsbewegung war er nie und der Hype um ihn war ihm eher unangenehm.
Ich wollte doch nur essen, sagte er meistens bescheiden, und danach ging's eben weiter. 
Jetzt setzte er sich erst mal gut gelaunt ans Klavier, stimmte es und legte los. 
  Das Spiel gefiel und Ludschinka, die rundliche, russische Wirtin blickte wohlwollend in die 
 

Runde. Auch die Gäste begrüßten die Abwechslung, doch irgendwann stoppte er abrupt, trank 

  das nächste Bier, um sich erneut ans Klavier zu setzen.
  Aber da nahte Ludschinka von hinten und schmiss ihm den Deckel vor der Nase zu.
  Jetzt blickte sie nicht mehr wohlwollend in die Runde, sondern böse auf Oskar. "Hin und her
  geht nicht!" keifte sie lautstark. Ich fand das fies und überlegte, wie man diese Frau, die es
  wagte unseren Helden zu demütigen, bestrafen könnte. Da fing Jes schallend an zu lachen,
  auch Oskar lachte und am Ende lachte das ganze House on Fire.
   
  Ach die beiden waren schon süß zusammen, die reine Innig- und Einigkeit!
  Ob sie schon damals über die Stradivari sprachen, die Oskar Jes 5 Jahre später hinterlassen
  würde? Jes hatte sie mir irgendwann mal gezeigt und gestanden, dass es Zeiten gab, in denen
  er sie für 'möglicherweise echt' gehalten hatte. Ich musste lachen, denn soviel Optimismus
  hätte ich ihm nun doch nicht zugetraut. Er lachte mit, trotzdem denke ich, er hätte sie
  gern weiterhin für 'möglicherweis echt' gehalten. Nur leider konnte er es nicht lassen. sie
  einem Experten zu zeigen.
  Dabei hätte gerade er wissen müssen, dass ein Überlebenskünstler wie Oskar auch ein
  begnadetes Schlitzohr sein musste.
  Doch solange das Schlitzohr so ein liebenswürdiges Wesen und einen so edlen Charakter
  vorweisen kann, ist die Welt noch in Ordnung.
 

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Ahondissa,  August 2014  KREUZBERGER Chronik