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s |
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Lotto, Alk und weitere Laster --------------------------------------------------------
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|
s
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Seit
wir in der Jugendstil Villa wohnen, trage ich goldene
Ohrringe und seidene Kleider, in denen ich
|
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Montags die Musiklehrerin erwarte.
Jeden Freitag kutschiert der Chauffeur mich zum Reitunterricht, |
|
während die kleineren Geschwister sich unter Aufsicht des
Kindermädchens im türkisgekachelten
|
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Pool tummeln.
|
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Pünktlich nach dem 4:00
Uhr Tee bespricht meine Mutter das Abendmenü mit der
Köchin und das |
|
viel zu
hübsche Dienstmädchen poliert
verträumt das Tafelsilber. |
|
Selbstverständlich sind
wir Kinder längst in einem namhaften Schweizer Internat
angemeldet. |
|
Kurz gesagt, unser Leben wird vom
Luxus regiert -- einziger Haken - der Lottogewinn lässt auf
|
|
sich warten! |
|
Was wie ein Erwachen aus einem kitschigen Traum klingt, war den phantasievollen Tag -
|
|
Träumereien meines Vaters entsprungen. Nach der ersten Flasche entwarf er gern ein anderes |
|
Leben für uns! Und so wie er von Woche zu Woche seiner Krönung zum Lotto König entgegen |
|
fieberte, musste er tatsächlich daran geglaubt haben. |
|
Mein Vater schwor auf seine Zahlen und je mehr er trank, je
reicher wurden wir. |
|
Anfangs hörte ich die
Geschichten noch gern, später hingen sie mir zum
Halse raus.
|
|
Gewinn hin oder her, was glaubte er, was aus
einer Million alles rauszuholen ist?
|
|
Dabei hatte er seine Kehle nicht
berücksichtigt, durch die dann auch ein edlerer Tropfen rinnen
|
|
müsste. Ein
Millionär kann seinem Chauffeur schließlich keinen billigen Fusel anbieten!
|
|
h |
|
*** |
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Siehste woll da kimmt er
|
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lange
Schritte nimmt er |
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siehste woll da kimmt er schon
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der
versoffne Schwiegersohn |
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sang
meine Oma, wenn mein Vater nahte. Gern und laut! |
|
Ihm
war das weder peinlich, noch litt er unter
ihrem Spott. Er wusste, sie verabscheute ihn und |
|
krümmte
keinen Finger, um das zu ändern. |
|
"Soll
ich ihn etwa bewundern, weil er nichts Vernünftiges arbeitet
und immer auf der Frau liegen |
|
will?"
argumentierte sie. Ich fragte mich lange, warum er immer auf einer Frau
liegen will und wer |
|
diese
Frau wohl sein könnte, bis, na bis ich's eben wusste. |
|
Späteren Streitigkeiten
zufoge, wollte er nicht immer nur auf der Frau liegen, sondern
gern auch auf |
|
anderen
Frauen. Behauptete meine Mutter, deren Beschuldigungen er
stets genervt zurückwies. |
|
Solange er nicht inflagranti
erwischt wurde, war er nicht so blöd, eine Reue vorzutäuschen,
die er |
|
nicht empfand.
Seiner Erfahrung nach war auch das schönste Geständnis
nicht in der Lage die Luft |
|
zu
reinigen. Im Gegenteil! Außerdem
sah er in denen, die sich nach ihrer Beichte ehrlich,
edel und |
|
erleichtert fühlten,
die wahren Egoisten. Wozu der Frau nachträglich Kummer machen? |
|
s |
|
|
|
Es gab
tatsächlich eine Zeit, in der mein Vater das
Vertrauen meiner Oma noch nicht verspielt |
|
hatte. Sie glaubte an die dringlichen
Geschäftsabschlüsse, die ihn in Ost Berlin
erwarteten und |
|
kaufte ihm einen neuen Anzug. Des besseren Eindrucks
wegen, denn "Kleider machen Leute"! |
|
Der Anzug verfehlte
seine Wirkung nicht, wenn auch etwas anders als erwünscht. |
|
SSS |
|
Geschäftlich
konnte mein Vater nicht überzeugen, dafür beeindruckte
sein weltmännisches |
|
Gehabe eine
hübsche, junge
Dame, in deren Armen es ihm gelang, seinen
Misserfolg zu vergessen. |
|
Er genoss das verbotene Glück in der Ferne und die Gewissheit, die misstrauischen Augen meiner |
|
Mutter lächelnd ignorieren zu
können. Und war beinahe enttäuscht, als sie
nichts in Frage stellte.
|
|
SSS |
|
Sie war zum vierten Mal
schwanger und ihre Gedanken kreisten weit mehr um die nahende |
|
Entbindung, als um sein übersteigertes Libido! Sie hielt auch wenig von verfrühten Debatten |
|
über die er/sie/es Namensfrage, doch als er sich für ein Mädchen den Namen Ursula wünschte, |
|
willigte sie ein. Und bekam tatsächlich ein
Mädchen,
welches sie Christel
nannte, weil Frau
|
|
Schäfer von gegenüber ihr 2 Wochen vorher stolz ihre kleine Ursula präsentiert
hatte. |
|
|
|
SSS |
|
|
|
Als Monate
später ein Brief
enthüllte, dass der zügelloser Gatte nicht nur
seinen Misserfolg - |
|
sondern
auch die Verhütung in den Armen jener jungen Dame vergessen
hatte, war meine Mutter |
|
bedient.
Eine
Ursula Anna hatte ihn als Vater ihres Sohnes Ulrich angegeben! |
|
Damit fing der "Drecksack"sich den Ärger seines
Lebens ein. Der
Fehltritt wurde irgendwann |
|
weggesteckt, den dreisten Namensvorschlag verzieh meine Mutter ihm
nie. |
|
|
|
|
|
Die
Oma verzieh ihm sowieso nichts. "Hätte ich ihm keinen Anzug
gekauft, hätte er mit nacktem
|
|
Arsch und nackten Eiern in den
Osten fahren können" hieß es immer mal wieder. |
|
Und das von meiner Oma, die so
schöne Geschichten erzählen konnte! Aber so konnte sie eben |
|
auch sein, manche hatte sie gefressen wie 10 Pfund Schmierseife, andere liebte sie wie ein |
|
Geschwür am Hintern und ihn hätte
sie am liebsten nackt
in den Wind geschossen.
|
|
|
|
Um
ihn mit Wohlwollen oder Humor betrachten zu können,
war ihre Abneigung zu gefestigt.
|
|
Wagte
er Kriegserlebnisse zu erwähnen, lachte sie höhnisch.
"Was weiß dieser Deserteur vom
|
|
Krieg?
Was weiß er vom Schützengraben? Dieser Feigling
hat sich doch nur gedrückt."
|
|
Nachdem ich eine Vorstellung
vom Krieg hatte, wunderte ich mich
über ihre gnadenlose Kritik.
|
|
Später wurde mir klar, dass es um ihren gelieben Mann ging,
der im selben Krieg gefallen
war. |
|
|
|
Er
fiel! |
|
Obwohl
er nicht an der Front war -
eine verirrten Granate erwischte ihm beim Zoll! |
|
Obwohl das Kriegsende zum Greifen
nahe war! |
|
Obwohl
er schön, stattlich und meinem Vater menschlich
und in jeder erdenklichen Beziehung
|
|
haushoch
überlegen war!
|
|
Diese
oder ähnliche Sätze hörte ich immer
wieder. In
ihren Augen starb ihr edler Held an Stelle |
|
meines minderwertigen
Vaters. Sie besaß einen gesunden
Menschenverstand und eine gewisse
|
|
Weisheit. Sie lehrte mich früh, dass Not erfinderisch macht und der Glaube Berge versetzen |
|
kann, doch wenn die große Trauer sie umfing, konnte sie nicht anders, als auf meinem feigen, |
|
nichtsnutzigen Vater herumzutrampeln. |
|
*** |
|
Dabei hatte sie den ersten
Schuldigen bereits in Hitler gefunden. |
|
Als sie die Hiobsbotschaft
erfuhr, soll sie ganz furchtbar getobt und
ihn verflucht haben. |
|
Zu ihrem Glück zeigten die
Überbringer Verständnis und hielten dicht. Das war in
der Nähe |
|
von Kattowitz und
wäre sie inhaftiert worden, hätte ich sie
eventuell nie
kennengelernt. Was |
|
man nicht kennt, vermisst man nicht,
gücklicherweise kannte ich sie von der ersten Stunde an!
|
|
Diese lebhafte, kleine Person, ohne
die meine Kindheit um vieles ärmer gewesen wäre.
|
|
.
|
|
|
|
Meine
Oma hatte 2 Kinder, meine Mutter und Tante Christa, bis ihr drittes Kind, Onkel Fritz, aus |
|
der Kriegsgefangenschaft entlassen wurde. Altersmäßig
lag er in der Mitte und muss bei seiner |
|
Hochzeit etwa 24 gewesen sein. Auf dem Hochzeitsfoto sieht er erbärmlich aus und schaut nicht |
|
ansatzweise so wohlgenährt in die
Kamera
wie mein Vater. der als pfiffiger Deserteur die |
|
Gefangenschaft scheinbar ähnlich leichtfüßig wie den Krieg überspringen konnte.
|
|
Fritz
wurde mit 16 eingezogen und als der Krieg vorbei war, musste die Oma noch 4
Jahre auf ein |
|
Lebenszeichen
warten. Kein Wunder dass sie den Drückeberger –
Schwiegersohn
gefressen hatte, |
|
aber doch ein Glück, dass der verdammte Krieg ihr
wenigstens den Sohn gelassen hat. |
|
|
|
|
|
Erst sollte ich Blumen
streuen, doch wie das Foto zeigt, habe ich Tante Dorotheas Schleppe |
|
getragen. Tante Christa steht, vermutlich als Stütze, an der Seite meines schwankenden Vaters, |
|
meine Mutter hat das Foto geschossen und meine störrische Oma war nicht anwesend. |
|
Weil sie die gesamte dörfliche Sippe nicht
leiden konnte, verweigerte sie ihrem geliebten Sohn den |
|
Segen. Ihrem einzigen Sohn - aber damals war man wenig sentimental - der Tod war zu lange |
|
allgegenwärtig und die Überlebenden schlitterten von einer Not in die andere. |
|
Für die kleine schmale
Oma muss allein die jahrelange Arbeit im oberschlesischen Bergbau die |
|
|
Hölle gewesen
sein; und jetzt besaß sie immer noch nicht mehr als ihren Lebensmut und ihren |
|
|
Eigensinn. So verbohrt, ihre Schwiegertochter weiter zu ignorieren, war sie dann aber doch nicht. |
|
|
Besser die Frau tolerieren - als den Sohn verlieren! Klingt diplomatisch, wäre Dorothea ihr aber |
|
|
nicht sympathischer geworden, hätte ihr Eigensinn todsicher dazwischengefunkt. |
|
|
QQQ |
|
|
Onkel Fritz erholte sich und
fuhr mit einem riesigen gelben Postauto durch unsere Straßen. |
|
|
Nach
der Einschulung begegnete ich ihm öfter und durfte auch hin und wieder mit ihm mitfahren. |
|
|
Mitschüler, die das beobachteten, fragten voll Ehrfurcht wer das wohl sei, bezweifelten aber, dass |
|
dieser smarte Kerl mit dem
tollen großen Auto mein Onkel sein könnte! |
|
|
|
Einen Groll auf die gesamte
dörfliche Sippe hatte ich übrigens auch! |
|
Nur bei mir war’s kein
Vorurteil sondern Erfahrung. |
|
Einige Kinder der
Hochzeitgesellschaft rannten zur Fuhse, ein Fluss oder eher Flüsschen und ich |
|
rannte mit. Dort stießen wir auf andere Kinder und während
wir in den Fluss schauten, sagte eins |
|
von ihnen: „Was will die
denn, warum schmeißen wir sie nicht in den Bach?“ Geht nicht so
leicht, |
|
die sind bei uns auf Besuch“ entschudigte sich ein anderes Gör. |
|
„Na
und“ hörte ich noch, sah mich um, blickte in ungerührte Gesichter mit
stumpfen Augen und |
|
rannte los. Von dieser Meute konnte ich keine Gnade erwarten!
|
|
Als ich meine Mutter endlich
wiederfand, ließ ich ihren Kleiderzipfel nicht mehr los. |
|
|
|
***** |
|
|
|
So
unerbittlich meine Oma meinen Vater kritisierte, so liebevoll ging sie mit
mir um. Bei ihr war es
|
|
immer kuschelig
und spannend. Meine jüngere Schwester Aia saß oft mit
mir zu ihren Füßen, um |
|
ihren, vom oberschlesischen Aberglauben geprägten, Erzählungen zu
lauschen. Oft waren es |
|
so
schaurig-schöne, geheimnisumwitterte Geschichten, dass wir uns danach kaum
über den Flur
|
|
trauten. Und saßen am
nächsten Tag doch wieder zu ihren Füßen! |
|
|
|
Ihre
Wohnung roch immer herrlich nach
Kaffee! |
|
Ich
liebte diesen Duft, die zierliche,
hölzerne Kaffeemühle und das feierliches
Ritual des Mahlens.
|
|
Für uns Kinder war
Bohnenkaffee eine
verbotene Frucht, doch irgendwann setzte sich Marta |
|
(so hieß sie) darüber hinweg. Mit den
Worten: "Bevor du einen schiefen Mund bekommst" |
|
erlaubte sie mir den ersten Schluck von ihrem Zaubertrank!
|
|
Meine Mutter
hätte protestiert,
aber so
weit ließen wir es nicht kommen.Wer Spaß haben
will, |
|
fragt nicht die Spaßbremse
um Erlaubnis. Jedenfalls
nicht, solange ihr das
Verständnis für
|
|
Düfte
und Rituale fehlt und sie mit ihrem Muckefuck und
Lindenblütentee glücklich ist.
|
|
Mein
Vater rührte so etwas prinzipiell nicht an, wie hoch er aber
Rituale und Düfte schätzte,
|
|
bewies
er bei jeder Weinflasche, die er entkorkte.
|
|
n |
|
Nachdem ich meine Lehre beendet
hatte, war ich endlich in der Lage, die Kaffee Versorgung
|
|
zu
übernehmen. Die Oma sollte bis ans Lebensende kein einziges
Paket mehr kaufen müssen.
|
|
Das war ich ihr für die
zigtausend kleinen Schlückchen aus ihrer duftenden Tasse
schuldig. |
|
Zwei Jahre
später starb sie und ich fühlte mich vom Schicksal
betrogen.
|
|
Gern hätte ich ihr noch
viele weitere Jahre ihren Lieblingskaffee in die Hand gedrückt. |
|
************************************
|
|
|
Um meinen Vater nicht
völlig nutz- und wertlos erscheinen zu lassen, darf ich seinen
scharfen |
|
Verstand und seine
künstlerische Begabung nicht verschweigen. Er malte
Porträts und |
|
Landschaftsbilder
die er sofort verkaufte, oder zeichnete Szenen
auf Bar- und Diskothek- |
|
Wänden. |
|
Bei größeren
Wandmalereien, die sich über mehrere Wochen
hinstreckten, kam ich ins Spiel |
|
und ging, anstatt zur
Schule mit Papa zur Arbeit. Er als Künstler, ich als
Putzkraft, Tapeten- |
|
Abreißerin und
Leichtsinnsbremse. Es machte mir sogar Spaß, doch der
Höhepunkt war der |
|
Material-Einkauf in einem
Farbengeschäft mit Drogerie Bedarf und einer
himmlischen |
|
Süßwarenecke.
|
|
Mein charmanter Vater hatte die
nette Verkäuferin bereits so weit, getürkte
Rechnungen zu |
|
schreiben und ich durfte nach
Herzenslust bei Schokolade und Keksen zugreifen. Auch
er
|
|
gönnte
sich allerlei und freute sich diebisch, dass unsere
Naschereien unter Tapeten und
|
|
Terpentin auf dem Konto seines Auftraggebers landeten. |
|
Die Rache des unterbezahlen
Künstlers - doch warum ließ sich die
Verkäuferin darauf ein? |
|
Wie auch immer - mich hat sie
wunschlos glücklich gemacht! |
|
|
|
|
|
Um die Wahrheit nicht zu beugen,
müssen auch die unschönen Eskapaden und
unsere Furcht |
|
vor
den Gewaltausbrüchen unseres Vaters erwähnt
werden. Nüchtern passierte
wenig, doch |
|
wann war er nüchtern?
|
|
Die Faxen des albernen
Angeheiterten - |
|
die Unberechenbarkeit des
aggressiven Randalierers - |
|
die
Peinlichkeit des Volltrunkenen - haben sich mir tiefer ins
Gedächtnis gegraben als die |
|
zitternden Hände des Nüchternen. |
|
n |
|
Im
Umgang mit ihm habe ich Diplomatie, Psychologie und Schauspielerei
gelernt. |
|
Das alles
musste ich spätestens abends, wenn
der unangenehme Teil kam, einsetzen. Da ich |
|
den
Durstenden nicht an seiner Stammkneipe vorbeilotsen
konnte,
ging ich mit, täuschte
bald |
|
rasende Kopfschmerzen
vor und hob das zum verspielen gedachte
Geld für meine Mutter auf. |
|
Mit beharrlicher Geduld gelang es
mir fast immer, ihn mit gefüllter Brieftasche zuhause |
|
abzuliefern, |
|
Sauer wurde ich erst, wenn meine
Mutter einen Aufstand wegen seiner
Alkoholfahne machte. |
|
Sofort ergriff er die
Chance, dort hin zu flüchten, wo er
eh lieber
geblieben wäre. Jetzt
wurde |
|
fast alles verjubelt, er kam
spät nachts zurück und dann (Angriff ist die beste
Verteidigung) |
|
klirrten die Scheiben und er machte
sie rund. |
|
Da
war es wieder, das Ungeheuer, das uns aus
dem Schlaf riss und uns panische Angst
einjagte. |
|
In
solchen Momenten hassten wir Kinder ihn! Meine
Entscheidung, ihn für eingeschränkt
|
|
verantwortlich zu halten, half mir, meinen Hass
nicht zu lange lodern zu lassen. |
|
Was war von einem notorischen Alkoholiker anderes zu erwarten? |
|
|
|
Meiner Mutter nahm ich ihre
Impulsivität allerdings übel. |
|
Wozu
hält sie mich von der Schule fern, wenn sie den
Erfolg meiner Mühen mit Füßen tritt? |
|
Ich
war das Kind und die beiden benahmen sich wie die Kinder.
|
|
Dass
mein Vater seinen Zechkumpanen stolz meine Zeugnisse zeigte, fand
ich genau so kindisch
|
|
und
dachte: Was hast du denn dazu beigetragen? Meine Zensuren habe
ich nicht deinetwegen
|
|
sondern trotz
deinetwegen. Aber sein Stolz galt auch weniger mir, als seinen
Genen, die er da
|
|
durchschimmern
sah. |
|
*** |
|
|
|
Als 12jährige hatte ich
einen Job bei den Wolfs im alten Dorf. |
|
Mein
Vater hatte ihn vermittelt - und da ich nur nachmittags
gebraucht wurde, musste ich nicht |
|
einmal die Schule
schwänzen. Die "Gaststätte
am Thieberg" bestand aus einem riesigen |
|
Kneipenraum,
einer florierenden Küche,
unzähligen Fremdenzimmern und einem Hinterzimmer. |
|
In dem ein
gigantischer Fernseher
stand, auf dem ich an einem Regentag die Dreigroschenoper |
|
sehen durfte. |
|
Brecht war mir damals noch kein
Begriff, machte mich aber ziemlich glücklich! |
|
|
|
Der mürrische Regent des Familienbetriebs,
Wilhelm Wolf war, trotz der Figur eines Brummkreisels, |
|
allgegenwärtig, seine bescheidene Frau, Guste, hatte ihren Platz in der Küche und
die hübsche, |
|
wasserstoffblonde Tochter, Erika, schmiss im winzigen, weißen Kellnerinnenschürzchen
den Bar- |
|
und Kneipenbetrieb. Erika war 33, meistens lieb und
selten nüchtern. |
|
Ihr Gesicht war vom
Alkohol bereits etwas aufgedunsen, was die vorwiegend
männlichen Gäste |
|
nicht davon abhielt, sie
wie eine Königin anzuschmachten. Meine Mutter hatte
meinem Vater |
|
längst
eine Affäre mit ihr nachgesagt, die ich für
absolut möglich hielt. Mitunter hatte er dort
|
|
wochenlang zu tun -
es gab immer etwas zu malen, und vor allen
Dingen - immer genügend |
|
zu trinken. Warum
sollten zwei lustbetonte Charaktere, für die
Zurückhaltung nie eine |
|
Option war, der Versuchung im
Alkoholrausch widerstehen? Die Vertrautheit zwischen
ihnen |
|
sprach Bände - ich
hätte meiner Mutter jedenfalls nichts Beruhigendes
berichten können. |
|
Aber
sie
wusste ja Bescheid! |
|
Trotz ihrer
Eifersüchteleien machte sie sich wenig Illusionernrund um die Missetaten ihrer |
|
schlechteren
Hälfte. "Er
ist ein Hurenbock, ein Zocker und ein
Säufer, ungewiss ist nur, welches |
|
seiner Laster er
gerade besonders genießt", stellte sie
einmal lakonisch fest. |
|
|
|
*** |
|
|
|
In
einer Pause trank ich eine Sinalco neben
meinem Vater am
Tresen, während er sich angeregt |
|
mit einem jungen Mann unterhielt.
Meine Gedanken waren ganz woanders, bis ich "Das ist
deine |
|
Tochter?
Wenn sie 16 ist, stehe ich vor deiner Tür!"
aufschnappte. Mein vorlauter Einwurf: |
|
"Dann
dürfen Sie
aber nicht so viel trinken" machte meinen Vater
richtig böse! |
|
"Das
ist doch der
Conny von der Futtermühle! Einer der feinsten
und reichsten jungen Männer |
|
des
Ortes! Der
Traum
jedes Schwiegervaters," ließ er mich später
wissen. |
|
Aber
wenn das Bier ihm jetzt schon tagsüber schmeckt, wird er in 4
Jahren schwankend vor |
|
der Tür stehen, dachte
ich, wagte aber nichts mehr zu sagen. |
|
nnnnn |
|
|
|
Meine
Küchenarbeit belohnte der
kugelrunde Wilhelm mit
50 Pfennig, auch zur damaligen |
|
Zeit
eine himmelschreiende Beleidigung! Immerhin bekam ich etwas zu
essen, doch wegen seines |
|
Geizes konnte ich meine Geschwister nie mit einem riesigen Kuchenpaket überraschen. |
|
Als Verdienerin hatte ich mir das anders vorgestellt, um sie wenigstens mit Eierkuchen zu versorgen, |
|
stibitzte ich beim Rausgehen 2 - 3 Eier aus dem enormen Kühlschrank. |
|
|
|
Seltsam, ich hätte trotz größtem
Hunger nie etwas gestohlen, doch hier hatte ich nicht einmal ein |
|
schlechtes Gewissen. Ich habe es auch nie übertrieben und irgendwann hatte sowieso niemand in |
|
unserer Familie noch Lust auf Eierkuchen.. |
|
Von den dienstbaren Geistern rund um den Kühlschrank ist mir eine 50jährige Alwine als Ober - |
|
Küchenfee und Verlobte von einem Schorsch im Gedächtnis geblieben. Schorsch trieb sich dort |
|
ohne erkennbare Funktion herum und beide
waren starke Alkoholiker. Er
beleibt - sie spindeldürr! |
|
|
|
*** |
|
Inzwischen
hatte ich mehr Betten bezogen, als Teller gewaschen und mein
Lohn hatte sich |
|
verdreifacht. War immer noch nah an nichts, doch
manchmal steckte Erika mir etwas zu. |
|
Eines
Nachmittags, als ich wieder von Zimmer zu Zimmer eilte,
lag Alwines Schorsch in einem |
|
der
Betten. Ich zuckte zurück, doch er bat mich hinein,
da ich ihm etwas besorgen sollte. |
|
Ich
schwankte zwischen Gehorsam und einem
unguten Gefühl. |
|
"Bringen Sie das Geld raus"schlug ich vor. |
|
"Das
ist doch albern, warum soll ich mich extra anziehen? Wir kennen uns
doch!" |
|
entgegnete
er beschwichtigend mit
leicht genervtem
Unterton. |
|
Muss
ich höflich bleiben, weil er ein Freund des Hauses ist?
fragte ich mich, bis sein |
|
verschwitztes
Gesicht mich endgültig vom Gegenteil überzeugte und
ich Fersengeld gab. |
|
|
|
Als 2
Jahr später alles und jeder entsetzt war, weil der Schorsch
Möhring wegen Vergewaltigung |
|
eines
13jährigen Mädchens in den Knast
wanderte, war ich nicht überrascht. Ich war längst
nicht |
|
mehr
bei Wolf
und erfuhr es von meinem Vater. Seltsamerweise sprach ich nie
über meine |
|
bedrohliche
Begegnung mit diesem Vergewaltiger, sondern bedankte
mich nur leise bei meinem |
|
Instinkt. |
|
***** |
|
Schorsch
war übrigens nicht der erste Kinderschänder, mit dem
ich fertig werden musste. |
|
Dass
Männer sich nicht genieren, ihre Hand
im Slip eines Mädchens verschwinden zu lassen, |
|
erfuhr ich schon als
Vierjährige. |
|
Bei mir war es Onkel Emil! |
|
Kein richtiger Onkel sondern
ein Ingenieur auf Montage, der bei meiner Oma und Tante Christa |
|
wohnte. Christa
war gerade mal 18 und blind in ihn verschossen, er war mindestens
doppelt |
|
so alt und
nicht halb so verschossen. Er verschwand wie er kam, doch
nicht ohne ihr etwas |
|
zu hinterlassen. Manche hätte
ihn verflucht, Tante Christa nahm das Geschenk dankend |
|
an und so hatte
ich plötzlich einen
kleinen Cousin. Sie nannten ihn Hansi und
verhätschelten |
|
ihn wie ein echtes
Geschenk Gottes. Tante Christa war
närrisch, die Oma war närrisch
und |
|
ich war
froh, Emil nicht verpetzt
zu haben. |
|
Möglicherweise hätte
es dann keinen Hansi gegeben. |
|
|
|
Zum Glück empfand
ich den Übergriff eher als peinlichen Moment als
ein traumatisches |
|
Erlebnis. Es
fing natürlich harmlos an! Der liebe Onkel brachte
mir Englisch zählen bei und |
|
als ich es konnte,
belohnte er mich mit 50 Pfennig. Am
nächsten Tag wurde ich abgefragt, |
|
musste neue Zahlen
lernen und bekam die nächsten
50 Pfennig. Am
dritten Tag passierte |
|
nichts und am
vierten Tag ließ er unvermutet seine
Pranke in meinen Slip gleiten. |
|
Ich
wand mich wie ein Aal
bis die Hand sich
endlich entfernte. Danach
schenkte er mir |
|
wieder 50
Pfennig! |
|
Etwa als Schweigegeld? Oder um sich
notfalls mit: "Die kleine Nutte hat mich verführt! |
|
Sie soll
zugeben, dass sie Geld genommen hat."
rauszureden? |
|
Mir war klar, ich würde
schweigen um Tante Christa nicht traurig zu machen. Was das |
|
auslösen würde, begriff
ich auch als Vierjährige. Ich
fühlte mich aber nicht schutzlos und |
|
schon gar nicht
wie Emils Komplizin. Ich
wusste er war ein Mistkerl, mit dem ich nie |
|
wieder allein
sein durfte. |
|
Wie sich herausstellte,
hatte Emil Gerstner außer Hansi
(fast zeitgleich in einer anderen Stadt) |
|
ein Mädchen gezeugt
und für beide Kinder die
Alimente bis zum 18. Lebensjahr bei den Ämtern |
|
hinterlegt.
Damit war das Thema
für ihn erledigt!
Da reist so ein Frauenschwängerndes |
|
Ungeheuer um die
Welt, interessiert sich einen
Dreck für diese Kinder und zahlt ein Minimum |
|
ihres Lebensunterhalts lässig
aus der Portokasse! Ich
glaube nicht, dass die damaligen Ämter |
|
ihm vorgerechnet haben,
was ein Kind in 10 Jahren kosten
wird und dass er eventuell ein |
|
Studium finanzieren
müsse. Sie nahmen was sie
kriegen konnten und er war frei, sein |
|
menschenverachtendes
Treiben fortzusetzen. |
|
Hansi hat ihn nie getroffen und ich
hoffe, auch nicht vermisst! |
|
|
|
*** |
|
Das
einzige Laster, das Emil nicht zu haben schien, war
der Alkohol! |
|
Aber das hatten ja schon all die
anderen. Auch die Brüder meines Vaters
waren |
|
gewissenhafte
Trinker
und
deren Vater sowieso. Bis auf Onkel Horst waren aber
alle |
|
friedlich und gingen regelmäßigen Arbeiten nach. |
|
|
|
In
meiner Erinnerung ist er lieb und herzlich, nur sein Ruf war ein
anderer. Als jüngster
|
|
lebte
er noch zuhause und wenn sie abends tranken und stritten, kam schon mal
die Polizei.
|
|
Dann
zeigte Horst seine berühmte Schleudernummer. 4 bis 5
Polizisten sollen nur so über
|
|
die Straße geflogen sein.
Klar, groß und stark war er schon! Schnell war die
Straße 'Am |
|
Oppernkamp' genauso berüchtigt wie
er und die Polizisten weigerten sich dort hinzufahren. |
|
|
|
Kein
Wunder dass Horst oft vor Gericht
stand, aber auch da pfiff er auf die
reumütige Geste. |
|
Als ihm wieder mal 3 Monate
aufgebrummt wurden, sagte er lässig: |
|
"Die sitze ich mit der linken
Arschbacke auf der Rasierklinge ab! und schwupps durfte er
|
|
6 Monate auf der Rasierklinge
sitzen. |
|
n |
|
Seine Verwandten kann sich keiner
aussuchen, warum auch? |
|
Wenn
meine Mutter protzte, welch wundervolle, begüterte
Männer mit herrlichen Villen sie
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meines
Vaters wegen, verschmäht hatte, war ich voll des
Bedauerns. Ach Mama, wär das schön!
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Aber schon bald begriff
ich, dass keiner dieser Herren mich gezeugt
hätte. |
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Die Ehe
hätte kinderlos bleiben können -
doch selbst bei 7 Kindern wären wir 7 es
nicht gewesen. |
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Welch ein Glück, dass der
"Suffkopp" ihr besser gefiel und wie gut, dass er
gern auf der Frau lag. |
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S
hhAhondissa |
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